Freitag, 25. März 2011

[Rezension] "Die Jagd auf den Meteor"

(D 2006; Verlag Piper; Autor: Jules Verne; Übersetzer: Gaby Wurster; 279 S.; 8,95 €)

Klappentext


Ein Meisterwerk des großen Jules Verne voller Abenteuer und Humor

Ein Meteor nähert sich der Erde, der aus reinem Gold besteht. Staaten und skrupellose Mächtige beginnen einen fanatischen Wettstreit um das ungeheure Vermögen. Doch sie haben ihre Rechnung ohne das Gesetz des Zufalls gemacht. Und auch für zwei junge Liebende bedeutet der Meteor ihr Schicksal … Jules Vernes faszinierender Roman endlich in der bislang unveröffentlichten Originalfassung - neu übersetzt und komplettiert durch eine Einleitung von Andreas Eschbach.

"Jules Verne war ein Meister der technischen Phantasie. Ohne ihn sähe unsere Welt vielleicht ganz anders aus." Andreas Eschbach

Rezension

Ich gebe zu: Ich habe den Roman seinerzeit aus der Mängelexemplar-Kiste gekramt, weil das Vorwort von Andreas Eschbach stammte. Aber generell muss das erst einmal nichts Schlechtes bedeuten. Und das tut es auch nicht!
Eschbachs Vorwort erklärt Einiges; u.a. warum der Roman erst 2005 (bzw. in seiner Taschenbuchausgabe 2006) in vollem Umfang erschien: "Die Jagd nach dem Meteor" war eines von Jules Vernes letzten Werken und hat es niemals bis zur Druckreife gebracht. Der Roman wurde schlicht und einfach nicht fertig. Aber da Jules Verne bereits zu Lebzeiten ein großer Name war und dieser Name Verkaufszahlen bedeutete, bat der Verleger dessen Sohn und Nachlassverwalter - Michelle Verne, ebenfalls Schriftsteller - darum, einige "Änderungen" im Werk seines Vater vorzunehmen. So wie Eschbach diese Änderungen schilderte, erscheinen sie mir wie Verstümmelungen.
Verne war immer dafür bekannt, seinen Romanen einen technisch verständlichen Nährboden zu geben. "In 80 Tagen um die Welt" oder "20.000 Meilen unter dem Meer" sind allesamt fantastische, aber in sich glaubhafte Romane gewesen. Doch in der angepassten Romanversion wird die Figur des Zephyrin Xirdal eingeführt. Dieses angebliche Genie baut eine unverständliche Maschine, die den Meteor fernsteuern kann, zudem werden noch Bankiers und dubiose Geschäftsleute eingeführt. Allesamt Charaktere, die meiner Meinung nach den Roman ruiniert haben dürften. Nach der Lektüre des Originalstoffes erschaudere ich gedanklich davor, was Michelle Verne aus dem Werk seines Vaters gemacht haben musste! Hier sei mein Dank an Piero Gondolo della Riva gerichtet, den Verna-Sammler, der in den 1970ern auf das Originalmanuskript aufmerksam wurde, welches in diesem Roman schließlich verarbeit wurde.
Ich kann nicht dafür sprechen, wie der Ton in Jules Vernes sonstigen Romanen lag, da "Die Jagd auf den Meteor" mein erster Verne-Roman ist. Er soll wohl dunkler und sarkastisch-zynischer sein als man es von Vernes bisherigen Romanen gewöhnt war - einer der Gründe, die zu den Änderungen führte. Verne ist hier wesentlich sozial- und technikkritischer als früher. Aber ich denke, genau das tut dem Roman gut!

Nachdem ich mich an den doch etwas antiquierten Schreibstil gewöhnt habe und die teils langen und verschachtelten Sätze und durchaus gestellte Sprechweise interpretieren konnte, war der Roman sehr unterhaltsam. Denn trotz allem sollte man nicht vergessen, dass der Originalstoff weit über 100 Jahre alt ist. In der Literatur und Sprache keine unerhebliche Spanne.
Dennoch ist der Roman nach kurzer EIngewöhnung gut lesbar. Ich hatte große Freude an den Sticheleien und der Konkurrenz zwischen Dean Forsyth und Dr. Sydney Hudelson - den Hobby-Astronomen, die beide von sich behaupteten, den Kometen als jeweils Erster entdeckt zu haben. Und damit natürlich auch Anrecht auf das Gold zu haben! Leider haben ihre Nachkommen unter der Feindschaft zu leiden, denn Forsyths Neffe und Hudelsons Tochter lieben einander und sind verlobt. Doch in geradezu Shakespeare'scher Tragödie lösen beide Männer nach ihrem Zerwürfnis über den Kometen das Verlöbnis der Kinder und verbieten jeden weiteren Umgang. Der Roman lebt in der ersten Hälfte geradezu von dieser Tragik; obwohl ob der Überzogenheit, wie diese dargestellt wird, klar ist, dass Verne hier beißende Sozialkritik übte.
Der Komet spielt erst ab der zweiten Hälfte eine Rolle. Denn nach und nach verkleinert sich der Radius des goldenen Himmelsteins um die Erde und schließlich stürzt er auf Grönland. Demnach gehört Dänemark der Fund, das Gold und der Reichtum. Doch in einer tragisch-glücklichen Wendung gibt die Klippe, auf der der Komet abgestürzt ist, aufgrund der Eintrittshitze und des Gewichts schlussendlich nach, stürzt ins Meer und versinkt. Außer Reichweite aller versöhnen sich die beiden Männer über den Verlust ihres Reichtums und auch die anderen Abenteurer, die an der großen Expedition nach Grönland teilnahmen - und mehr oder weniger große Rollen spielten - kommen durch den schlussendlichen Verlust des Kometen wieder zusammen, schließen Frieden oder entdecken ihre Liebe wieder.

Jules Vernes letzter Roman ist trotz einiger fehlender Inhalte, die durch Fußnoten so gut es geht, ergänzt werden, ein sehr interessantes Werk und vor allem: lesenswert.


Kurzbewertung
Interessante Abwechslung von normalem Lesestoff. Verne wirkt nach wie vor!