Sonntag, 10. April 2011

[Rezension] Die Haarteppichknüpfer

(D 1998; Verlag Heyne; Autor: Andreas Eschbach; 323 S.; 12,90 DM)


Klappentext

In einer anderen Welt, in einer anderen Zeit ... Seit undenklichen Zeiten knüpfen sie Teppiche für den Hof des Kaisers - Teppiche aus dem Haar ihrer Frauen und Töchter, so dicht und fein, daß jeder Haarteppichknüpfer nur einen einzigen Teppich in seinem ganzen Leben vollendet. Die Kunst wird vom Vater auf den Sohn vererbt, seit Jahrtausenden, seit dem Anbeginn der Zeit.

Doch eines Tages wird alles anders. Das Reich der Gottkaiser zerfällt, und die Fremden von den Sternen kommen, um der Spur der Haarteppiche zu folgen. Und sie stoßen auf ein Geheimnis jenseits aller Vorstellungskraft.
 
Rezension


Ich empfehle jedem, der mit der Lektüre von Andreas Eschbach beginnt, den Roman "Quest" zuerst zu lesen. "Quest" spielt im gleichen Universum wie "Die Haarteppichknüpfer", nur zeitlich früher. Und es wird deutlich wie die Galaxis Gheera früher aussah. Denn was wir im hiesigen Roman erleben, ist eine öde Welteninsel, ausgebombt, ausgebeutet, verwarlost und vergessen durch das Kaiserreich. Doch warum? Nach dem Sturz des unsterblich scheinenden Kaisers kommen die Rebellen, die ihn stürzten, immer mehr Geheimnissen auf die Spur. Zu diesen Geheimnissen zählt unter anderem die gesamte Galaxis Gheera, deren Bewohner sich für eine Provinz des Kaiserreichs halten und Haarteppiche für den Palast des Kaisers knüpfen. Nur: im alten Kaiserreich hat noch nie jemand etwas von dieser Galaxis oder von den Haarteppichen gehört!


Das Rätsel um diese Galaxis und ihre Bewohner - und natürlich um die Haarteppiche - wird im Roman auf den Grund gegangen. Ich spare, was die Inhalte angeht, absichtlich, denn das Ende des Romans und die Auflösung des Plots ist gewaltig, macht betroffen und erschüttert auf einer emotionalen Ebene ... und ich will euch die Lektüre nicht verderben, indem ich dem vorgreife!

Daher beschränke ich mich v.a. auf die Gestaltung und den Stil: Der Roman (im Original 1995 erschienen) ist das Erstlingswerk Andreas Eschbachs und das bemerkt man auch. Wie bei fast jedem Erstlingsroman werden viele Handlungselemente, viele Personen, viele Geschehnisse und Inhalte auf wenig Raum gequetscht. Einerseits kann man das bemängeln, aber Eschbach griff auf einen interessanten Clou zurück, denn statt einzelner Kapitel hat er den Roman in Dutzende von "Kurzgeschichten" geteilt. Jedes Kapitel wird aus der Sicht einer anderen Person erzählt, aber greift das zentrale Thema um den Sinn und die Herkunft der Haarteppiche auf. Am Anfang lesen wir von einem Haarteppichknüpfer. Als der seinen Teppich fertig hat und ihn der Tradition gemäß auf dem großen Markt der Stadt dem fahrenden Haarteppichhändler verkauft, blenden wir zum Händler um. Dann wird der Händler auf dem Weg zur Hauptstadt von Banditen überfallen usw. Zu Beginn des Romans glückt Eschbach dieser Kniff hervorragend, denn der rote Faden ist klar erkennbar. Leider verliert er sich zum Ende des Buchs und die Kapitelthemen wirken stellenweise eher zufällig gewählt. Einige der letzten Kapitel hätte man problemlos untereinander tauschen können, ohne dass es Probleme bereitet hätte. Etwas dünn sind auch viele der Charaktere. Allerdings sollen die Meisten der Protagonisten nur wenige Seiten lang im Mittelpunkt stehen. Daher müssen sie keine gewaltige Charaktertiefe aufweisen. Für ihren Zweck sind sie ausreichend und geben dem Roman im jeweiligen Kapitel genug Leben. Denn das Schwierige an dieser Lektüre ist, dass es keine zentrale Hauptfigur gibt; mehr ein Ensemble sich abwechselnder Akteure.

Im Großen und Ganzen jedoch ist der Roman dicht geschrieben, enthält nachvollziehbare, wenngleich gelegentlich etwas zu archetypische Charaktere und ist vor allem: glaubwürdig. Während all der Zeit des (mehrmaligen) Lesens waren alle Personen und Handlungen immer nachvollziehbar und durchaus logisch. (Logisch insoweit, wie die menschliche Psyche jemals logisch sein kann.)
Und bedenkt man, dass der Roman Andreas Eschbachs damaliger Einstieg in die Literaturszene war, so ist das Ergebnis in besonderem Maße beeindruckend. Manche Profis mit jahrzehntelanger Space-Opera-Erfahrung können nicht so schreiben!
Kurzbewertung

Um ein Zitat zu bringen: "Eschbach nehmen und lesen" - gilt besonders für sein Erstlingswerk!